Die Dokumentations- und Meldepflichten beim Mindestlohngesetz waren Schwerpunktthema beim Gespräch zwischen der Mittelstandsbeauftragten der SPD-Bundestagsfraktion, Sabine Poschmann, und den BDS-Vertretern Hans-Peter Murmann und Joachim Schäfer. Die Verbandsrepräsentanten richteten ihren Blick vor allem auf den § 17 des Mindestlohngesetzes, nachdem eine Verpflichtung zur Aufzeichnung der Arbeitszeit von geringfügig und kurzfristig Beschäftigten sowie für die in § 2a des Schwarzarbeitbekämpfungsgesetzes genannten Wirtschaftsbereichen Beschäftigten eingeführt wird. Nach Ansicht des BDS bedeutet dies für die Unternehmen, unabhängig davon, ob sie bei der Lohnhöhe vom Mindestlohn betroffen sind oder nicht, erhebliche Bürokratiekosten. Besonders kleine und mittlere Unternehmen verfügten vielfach über keine detaillierten Arbeitszeiterfassungssysteme – so die BDS-Vertreter –, sondern setzten häufig auf die sogenannte Vertrauensarbeitszeit. Und letztere Besonderheit blende das Gesetz komplett aus, hob Joachim Schäfer hervor und prognostizierte, dass dies in der Praxis – gerade in den Fällen, in denen entweder Stücklohn vereinbart oder aber nicht bezahlte Wartezeiten mitkalkuliert wurden –, zu erheblichen Problemen führen werde. Gleiches gelte auch für Mitarbeiter im Betrieb, die regelmäßig nicht nach Arbeitszeit sondern nach Umsatz vergütet würden.
Sabine Poschmann zeigte sich aufgeschlossen für eine Überprüfung der angesprochenen Argumente. Wenn der Praxistest ergäbe, dass Nachbesserungen notwendig seien, so würde sich die Politik dem nicht verschließen. Zunächst aber wolle man Erfahrungen sammeln und nicht überhastet die Dinge angehen. Gerade beim sogenannten Homeworking, das in der Regel auf Vertrauensarbeitszeit setze, könne man die Dokumentationspflicht auf den Arbeitnehmer übertragen, der dann die geleistete Arbeitszeit digital übermitteln könne, sagte Poschmann. Mit der Dokumentationspflicht wolle man besonders dem Missbrauch bei den Mini-Jobs entgegenwirken. Außerdem stelle man mit einer solchen Maßnahme keinesfalls alle Unternehmen unter Generalverdacht, sondern man lege den Schwerpunkt auf die Unternehmen, die schon jetzt unter das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz fielen, stellte die SPD-Mittelstandsbeauftragte klar.
Als einen gefährlichen Fallstrick bezeichneten Hans-Peter Murmann und Joachim Schäfer den § 13 des Mindestlohngesetzes, wonach ein Auftraggeber für Verpflichtungen seines Subunternehmers „wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat“, haftet. Auch wenn der Auftraggeber den Nachunternehmer schriftlich im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen auf die Verpflichtungen aus dem Mindestlohngesetz hingewiesen habe und der Nachfolger zudem schriftlich zusichere, den Anforderungen des Mindestlohngesetzes zu entsprechen, bliebe dem Auftraggeber das Haftungsrisiko. „Das ist unzumutbar“, so unisono die BDSler, die in diesem Zusammenhang dringend Rechtssicherheit forderten.
Mit dieser Haftungsregelung solle vermieden werden, argumentierte Sabine Poschmann, dass die Verantwortung an oftmals schwächer positionierte Nachunternehmer abgegeben würde. Der Mindestlohn müsse ebenfalls von allen nachgeordneten Unternehmen gezahlt werden und dürfe nicht durch das Einsetzen von Subunternehmer umgangen werden, so Poschmanns unmissverständliche Botschaft. Daher sei beim Mindestlohngesetz auf die bewährte, verfassungsgemäße und unionskonforme Regelung aus dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz zurückgegriffen worden, unterstrich Sabine Poschmann. Um das Risiko einer Haftung zu minimieren oder zu verhindern, solle daher der Auftraggeber den Auftragnehmer und dessen Angebot besonders gut prüfen. Dabei spiele sowohl die Seriosität des Auftraggebers als auch die Plausibilität des Angebotes eine wichtige Rolle. Der Auftraggeber habe weiterhin die Möglichkeit, Kontrollrechte zu vereinbaren, die es ihm gestatteten, die Einhaltung des Mindestlohns zu prüfen. Auch sei eine vertragliche Einschränkung des Haftungsrisikos im Innenverhältnis mit dem Nachunternehmer denkbar, allerdings nicht gegenüber den Arbeitnehmern. Die Zulässigkeit beider Rechte könne allerdings immer nur im Einzelfall beurteilt werden, konkretisierte die SPD-Abgeordnete die Rechtslage.
Dass auch freiwillige Praktika nunmehr unter das Mindestlohngesetz fallen, fand ebenfalls die Kritik von Hans-Peter Murmann und Joachim Schäfer. So gut wie kein Unternehmer könne es sich mehr leisten, jungen Menschen, die über Praktika austesten wollten, ob der gewählte Beruf auch wirklich den eigenen Intentionen und Neigungen entspricht, Personal für den jeweiligen Praktikanten abzustellen und gleichzeitig noch 8,50 Euro plus Sozialabgaben pro Stunde zu zahlen. Damit würden vielen jungen Menschen unnötige Steine für das spätere Berufsleben in den Weg gelegt, so das Argument der BDS-Vertreter. Dem widersprach Sabine Poschmann vehement. Zum einen seien Pflichtpraktika vom Mindestlohngesetz ausgenommen, zum anderen müsste der „Generation Praktikum“ ein Riegel vorgeschoben werden. Gerade aus den Reihen der Wirtschaft sei die Klage an die Politik herangetragen worden, wusste Poschmann zu berichten, dass Unternehmen sich einen Wettbewerbsvorteil dadurch verschafft hätten, indem sie einen Praktikantenvertrag nach dem anderen abgeschlossen hätten, um so reguläre Arbeitnehmer preiswert zu ersetzen. Dies führe dann zu Wettbewerbsnachteilen bei den Unternehmen, die für die anfallenden Tätigkeiten fest angestellte Mitarbeiter beschäftigten. Zudem seien freiwillige Praktika maximal bis zu drei Monaten möglich, ohne dass der Mindestlohn gezahlt werden müsse, verteidigte Sabine Poschmann den Gesetzestext.
Ein weiterer Gesprächspunkt war die Aufforderung der EU an Deutschland, die Bedingungen für den Zugang zu bestimmten Berufen zu prüfen, um regulierende Einschränkungen abzubauen. Damit könne auch der Meisterbrief zur Disposition stehen, so die Sorge der BDS-Vertreter, weil meisterpflichtige Gewerke die Qualitätsstandards und das deutsche Ausbildungssystem sicherten. Die SPD-Politikerin machte deutlich, dass die Frage des Meisterbriefes eine autonome Entscheidung der Bundesrepublik Deutschland bleiben müsse. Zudem zeige ein Blick in unsere Nachbarstaaten, dass die meisterpflichtigen Gewerke in Verbindung mit dem System der dualen Berufsausbildung Vorbild für andere EU-Länder sein sollten. Diese und weitere Forderungen seien auch Teil des Antrags zum Erhalt des Meisterbriefes gewesen, den sie mit ihrer Unionskollegin im Dezember in den Bundestag eingebracht habe. „Damit wird sichtbar, dass die SPD mit Entschiedenheit allen Versuchen entgegentritt, den Meisterbrief in Frage zu stellen.“
Insgesamt rücke die jetzige Regierung im Vergleich zur vorherigen Koalition den Mittelstand verstärkt in den Fokus, sagte Sabine Poschmann und nannte als Beispiel das Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr, nach dem Zahlungsfristen künftig nur noch bis zu maximal 60 Tagen vereinbart werden können. Im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und öffentlichen Auftraggebern werde die Frist sogar auf 30 Tage begrenzt, erläuterte Poschmann. Durch dieses Gesetz würden Unternehmer und Selbstständige vor der Gefahr geschützt, wegen fehlender Liquidität Insolvenz anmelden zu müssen, obwohl sie auf dem Papier eigentlich ein deutliches Plus verzeichnen müssten. Zusätzlich verhinderten gesetzliche Bestimmungen, dass diese Regelungen über die AGB´s oder anderweitig umgangen werden können. In diesem Zusammenhang sprach Sabine Poschmann auch das Insolvenzanfechtungsrecht an, das nun reformiert werde. Die Grundzüge der Neuregelung sähen vor, dass die Frist, innerhalb der ein Insolvenzverwalter erhaltene Zahlungen zurückfordern kann, von zehn auf vier Jahre verkürzt werde.
Als weiteren Meilenstein einer effizienten Mittelstandspolitik apostrophierte Sabine Poschmann das Eckpunktpapier zum Bürokratieabbau. Hier habe man unter anderem einen Ansatzpunkt gefunden, Statistiken so zu digitalisieren, dass sie für mehrere Behörden gleichermaßen verwertbar seien und so eine Mehrfacherstellung durch die Unternehmen wegfallen könne. O-Ton Poschmann: „Es wäre schön, hierfür auch einmal eine Würdigung seitens der mittelständischen Wirtschaft zu erhalten.“ Zum Abschluss des Gespräches wurde zwischen Sabine Poschmann und Hans-Peter Murmann und Joachim Schäfer vereinbart, den Gedankenaustausch in regelmäßigen Abständen fortzusetzen, spätestens dann, wenn erste Erkenntnisse über Verwerfungen bei den Dokumentations- und Meldepflichten im Rahmen des Mindestlohngesetzes vorliegen.
A.S.
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